Nach der Hochzeit.

Unsere fröhliche und wundervolle Hochzeit tanzte und erklang. Och, es war so schön! Sie war die Hochzeit unserer Träume. Nach ihr wehte der Wind für mich in eine andere Richtung. Ich nahm den Nachnamen meines Mannes. Es war irgendwie seltsam, wenn Leute mich mit diesem deutschen Nachnamen angesprochen haben. Er war nicht an die russische Aussprache gewöhnt und es war sehr lustig, wenn jemand versuchte, ihn auszusprechen. Ich mochte seinen Namen sehr und trug ihn mit Stolz. Ich wusste schon genau, dass meine Tage zu Hause gezählt waren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir in die Heimat meines Mannes zogen, um dort dauerhaft zu wohnen. Das Land Deutschland spielte für mich keine entscheidende und wichtige Rolle. Ich war bereit, mein Mann bis ans Ende der Welt zu folgen – Hauptsache ist, dass wir zusammen und unzertrennlich sind.

Kurz nach der Eheschließung beendete mein Mann seine Arbeit in unserer Stadt und ging zurück in seine Heimat. Er besuchte uns so oft wie möglich – es funktionierte damals nicht anders und es war die einzige Gelegenheit uns zu sehen. Wie waren immer noch durch die Grenze zwischen den beiden Staaten von einander getrennt. Wir wünschten uns so sehnsüchtig, so schnell wie möglich zusammen zu sein. Deshalb haben wir angefangen, Dokumente für die Familienzusammenführung vorzubereiten. Wieder begann ein qualvollen Gang durch die bürokratische Korridoren. Björn beantragte die notwendigen Papiere von Deutschland und ich von Russland aus vor. Es war nicht so einfach, alle wichtigen Umzugspapieren in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der richtigen Form zu erhalten. Es hat uns beiden viel Zeit, Geduld und Nervenzellen gekostet. Ich musste sogar meinen Job kündigen, um genug Zeit zu haben, um alles zu erledigen – zahlreiche Termine und Reisen nach Moskau zu der Botschaft.

Ich war nicht allein – ich existierte nur in einer einzigen und unzerbrechlichen Verbindung mit meinen beiden Jungs aus der ersten Ehe. Es kam mir nicht einmal in den Sinn, die Kinder hier in Russland mit jemandem zurückzulassen und alleine weg zu fahren. Daher war es notariearisch notwendig, mit dem Vater des Kinders zu verhandeln, damit er ihnen die Erlaubnis geben würde, mit mir ins Ausland zu fahren und dort zu leben. Gott sei Dank, dass er uns auf unserem Weg keine Hindernisse gesetzt hat. Er unterschrieb alles und wünschte den Kindern eine gute Zukunft in einem neuen Land.

Viele warnten mich: „Hast du keine Angst mit zwei Kindern und ganz allein, in ein fremdes Land zu gehen? Alle deine Verwandten und Eltern werden hier bleiben- du wirst dort nur auf dich selber gestellt! Es kann so vorkommen, dass der Björn in seiner Heimat völlig anders sein wird, nicht so, wie du ihn kennst! Was würdest du tun – wohin wirst weglaufen?“. Ich wollte nicht einmal über diese Warnungen nachdenken – ich hatte keine Zweifel an der Zuverlässigkeit meines Mannes. Option B habe ich trotzdem in meiner Heimat gelassen, für den Fall, wenn dort doch was nicht funktioniert ist – dies war meine kleine Wohnung, die ich an Nachmieter weitergegeben habe. Trotz allem hatte ich ein aufregendes Gefühl und spürte es mit jeder Zelle meines Körpers, dass dort in der neuen Heimat ein völlig anders Leben auf uns wartet. Ich war bereit für radikale Lebensveränderungen und ging mutig in diese noch nebelige, verführerische Zukunft.

Papierkram
Papierkram

Vorbereitung der Umzugsunterlagen.

Ich kontaktierte erneut die deutsche Botschaft und sie gaben mir eine lange Liste von Papieren, Zertifikaten und benötigten Stempel dazu, die erforderlich waren für die Familienzusammenführung. Es war unumgänglich, fast alle meine und der Kinder Dokumente, die wir zu Lebzeiten erhielten, zu übersetzen und mit der Apostille-Stempel zu versehen. Mit allem drumherum war es eine gigantische Arbeit! Manchmal fasste ich hoffnungslos meinen Kopf an und verzweifelt dachte, dass ich mit diesem Strom von Papieren Kram niemals fertig werde und keine Erlaubnis zum Verlassen des Landes erhalten würde. Im Zeichnen des Horoskops bin ich ein Steinbock und wie bekannt ist, erreichen Steinböcke immer ihr Ziel, egal was passiert. Also biss ich die Zähne zusammen, streckte meine hartnäckige Hörner aus und ging weiter zu meinem Vorhaben.

Sprache, Sprache – deutsche Sprache...

Zu den wesentlichen Kriterien gehörte die Erlangung eines Sprachzertifikats (natürlich Deutsch) der Anfangsphase. Ich war mir voll sicher, dass ich es ganz leicht bekommen würde. Ich sprach mit meinem Mann bereits Deutsch und wir verstanden uns gut (mindestens kam es mir so vor). Natürlich hatten wir eine gemischte deutsch-russische Sprache entwickelt, da der Björn ein bisschen Russisch sprechen konnte. Ich begann mich für diese Prüfung vorzubereiten. Ich besorgte ein Paar CDs, um meine Aussprache zu trainieren und den Wortschatz zu erweitern. Ich nahm zweimal pro Woche ein Unterricht, um deutsche Grammatik zu lernen. Also stürzte ich mich kopfüber um diese schwierige Sprache zu erlernen. Gut vorbereitet, wie ich dachte, fuhr ich nach Jekaterinburg zu diesem wichtigen Test.

Ja, was soll ich sagen – ich habe den Mund zu voll genommen. Ich bestand diese Prüfung kläglich nicht! Ungeduldig und im voller Zuversicht, um ein gutes Ergebnis zu erzielen wartete ich auf den Ausgang dieser Prüfung. Als ich das bekam war ich so was von enttäuscht und entsetzt, dass ich es nicht beschreiben kann. In meinem Kopf tauchten viele schmerzhafte Fragen auf: Was wird es jetzt passieren? Wie mache ich weiter diese Umzugspapieren, ohne dieses Zertifikat zu besitzen? Werden meine vorbereiteten Unterlagen in der Botschaft anerkannt und akzeptiert? Mit Gedanken, Bezweiflungen und schwarzer Laune fuhr ich zurück nach Hause.

Ich erzählte traurig das alles dem Björn. Darauf antwortete er: „Mach dir keine Sorgen, dann muss du diesen Test in Deutschland erneut machen“. Meine Augen leuchteten sofort auf und die Stimmung verbesserte sich rapid in einer positiven Richtung: „Dort werde ich es auf jeden Fall und unbedingt bestehen“! Wie man sagt: Wenn sich eine Tür schließt, wird sich die andere sicherlich öffnen.

Sprachzertifikat A1
Sprachzertifikat A1

Wieder nach Moskau – wieder zur Botschaft.

Schließlich habe ich alle Unterlagen beisammen, außer natürlich dieses ärgerlichen Sprachzertifikats. Vor mir lag ein dicker Ordner, den ich zur Botschaft bringen musste. In ein Paar Tagen hatte ich mein ersten Vorstellungstermin in der Konsulat. Ich war darüber nicht besonders aufgeregt, denn ich bereits den Weg dorthin kannte und wusste, wie alles dort in der Botschaft verteilt und funktioniert wurde. Diese Sache war mir bereits bekannt. Ich habe schon einmal ein Gastvisum für uns in der deutschen Konsulat gemacht. Mit dem guten Gewissen machte ich mich auf den Weg nach Moskau.

Dort angekommen ging ich sofort wie ein Profi zum Schalter, wo ich zugewiesen wurde. Gleichzeitig dachte: „Es ist nur eine kleine Sache. Ich muss nur meine Papiere abgeben und alles wird erledigt sein“. Eine nicht lächelnde, strenge Frau mit großer Brille guckte mich durch die Scheibe an. Ich reichte ihr meinen Hefter durch den Spalt unter der Scheibe zu. Sie blätterte sorgfältig darin und sagte nach der gefühlte Ewigkeit auf Russisch: „Sie müssen noch einige Unterlagen an der Botschaft anreichen. Hier ist eine Liste, was noch fehlt. Wenn Sie diese von einem Notar beglaubigten Dokumente besitzen, müssen Sie sich mit einem deutschen Botschafter in Russland telefonisch in Verbindung setzen und einen Termin wegen der Familienzusammenführung mit ihm vereinbaren. Ich werde Ihre Unterlagen und Ihren Antrag auf unbefristeten Aufenthalt in der Demokratischen Republik Deutschland registrieren. Auf wiedersehen“. „Was? Noch mehr Papiere? Nochmal hierher fahren? Und noch einen Termin mit dem Botschafter persönlich machen? Oh Gott, ich habe Angst und was wird daraus?“- diese Fragen pochten in meinem Kopf. „Okay, es geht weiter. Nochmal durch die Instantan rennen! Gott sei Dank, dass die Liste diesmal nicht so lang ist.“

Termin mit dem Botschafter.

Ich habe ein halbes Jahr auf diesen Termin gewartet. Zwischendurch bin ich nochmal zu der Botschaft gefahren, um diese Unterlagen vor der Besprechung vorzulegen. Endlich war es so weit. Diesmal war ich nicht so locker und ging mit gemischten Gefühlen dorthin. Es war ein entscheidender Termin für die unsere gemeinsame Zukunft. Es wird beschließen, ob wir das Recht haben, nach Deutschland zu ziehen. Björn von seiner Seite, der Seite meines Mannes reichte alle erforderlichen Unterlagen an die russische Botschaft in Deutschland zu. Er hatte auch genug Kopfschmerzen mit den allen Behörden und der Bürokratie.

Ich stand wieder voll aufgeregt vor dem Schalter. Diesmal saß mir ein Mann gegenüber, vermutlich ein Botschafter. Er betrachtete mich genau und fing an zu reden – auf Deutsch! „Hab keine Angst vor dieser schwierigen Sprache! Sprich so, wie du kannst!“ – ermutigte ich mich. Er machte mich darauf aufmerksam, dass ich kein Sprachzertifikat erhalten habe. Deshalb möchte er meine Sprachkenntnisse testen. Er stellte mir ein paar einfache Fragen (auf Deutsch natürlich). Ich verstand sie und prägte schnell die Antwort. Darauf reagierte er mit einem Lächeln und sagte: „Gut, es ist ausreichend“. Bei mir fiel ein Stein von Herzen:- „Siehst du – du kannst es!“. Ich war voller Stolz! Weiter sprach er mit mir nur Russisch. Er stellte mir knifflige Fragen, wie zum Beispiel: Warum ich einen deutschen Staatsbürger geheiratet habe – was war mein Ziel? Was sind meine Pläne in Deutschland? Was ich über die deutsche Kultur weiß? Welche Lebenswichtige Interessen verfolge ich? und so weiter. Im Allgemeinen wollte er herausfinden, dass unsere Ehe nicht fiktiv ist und mich keine kriminale Geschäfte nach Deutschland treiben. Nach dieser „Herzseelischen“ Besprechung sagte mein Gesprächspartner: „Unterlagen von der Seite Ihres Mannes und von Ihnen sind in Ordnung und vollständig. Wir werden Ihren Fall prüfen und bearbeiten und eine endgültige Entscheidung über die Ausreise ins Ausland für einen dauerhaften Aufenthalt treffen. Sie sollen sich telefonisch informieren, wie Ihre Sache entschieden wird. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Auf Wiedersehen.“ Diesmal musste ich das Protokoll unseres Gesprächs nicht unterschreiben. “ Das war es. Jetzt ist nur Geduld und Warten angesagt“ – bedrückt überlegte ich. Also, warten, warten und hoffen auf das glückliche Ende.

Tage, Wochen, Monate vergingen… Jeden Monat rief ich die Botschaft an und fragte nach, aber bekam immer die gleiche Antwort – Ihre Sache ist noch in Bearbeitung. Bekümmert legte ich den Hörer auf und dachte: „Eines Tages wird es alles gut und eines Tages wird es ein Ende geben. Wenn wir so lange gewartet haben, denn noch ein Bisschen schaffen wir auch. Also, abwarten und auf keinen Fall die Nase hängen lassen“.

Eine unerwartete und interessante Begegnung.

Eines Tages passierte mir einen Vorfall. Wie gewohnt war ich auf der Arbeit. Ich habe nichts erwartet und an nichts gedacht. Plötzlich kam meine Chefin zu mir und sagte: „Ein junger Mann will mit dir reden, er ist in meinem Büro“. „Ja, was könnte es sein? Vielleicht kenne ich ihn, vielleicht ist das eine Art von der Überraschung für mich?“- verzweifelt überlegte ich auf dem Weg zum Büro.

Er war mir unbekannt und ich sah ihn zum ersten Mal. Er stellte sich als FSB-Offizier (früher KGB)vor!!! Als ich das hörte, plumpse ich auf einen stehenden Stuhl hinter mir und meine Augen weiteten sich und den Kiefer fiel herunter: „Meine Güte, was habe ich den angestellt??? Er will mich verhaften!!! Wie peinlich, wenn meine Kollegen es sehen! Sei munter und tapfer – zeige ihm nicht deine Unsicherheit!“- solche verrückten Gedanken blitzten in meinem Kopf. Er erzählte mir, dass er weiß, dass ich Russland mit zwei Kindern verlassen wolle und dass ich den Antrag auf die Familienzusammenführung in der deutschen Botschaft gestellt habe: „Warum wollen Sie aus Ihrem Heimatland weggehen? Gibt es etwas, was Ihnen hier nicht gefehlt?“ Ich antwortete, dass wir uns lieben und es normal ist, zusammen zu sein und nicht getrennt. Dann sagte er, dass sie einige Grundüberprüfungen meiner Familie und der Verwandtschaft auf kriminelle Vergangenheit durchgeführt haben: „Wir haben nichts Besonderes rausgefunden – in dieser Richtung ist alles in Ordnung“. Ich dachte darauf verärgert:- „Sie wissen alles und über jeden! Das ganze Leben ist unter eine Beobachtung – wie in einem Zoo“. Ich fühlte mich so, dass meine und das Privatleben meiner Verwandten grob verletzt wurde.

FSB Ausweis Russische Föderation
FSB Ausweis Russische Föderation

„Aber es gibt noch ein Thema, über das ich mit Ihnen sprechen möchte“ – setzte er unser Gespräch fort. „Sie leben und arbeiten auf einer Militäreinheit der Russischen Föderation. Ihr Mann hat hier einige wichtige Aufgaben in Bezug auf seine Arbeit wahrgenommen. Hat er Ihnen etwas über seine Arbeit erzählt?“ Ich antwortete zuversichtlich: „Nein, ich habe keine Ahnung, als was er da gearbeitet hat und was für eine Arbeit hat er dort gemacht – nur Allgemeinwissen, was alle hier wissen“. Der Offizier machte weiter: „Sie leben schon lange mit ihren Kindern hier. Sie wissen, wie hier alles funktioniert und kennen wo alles ist. Sie verstehen, wovon ich rede – Adressen, Militärhauptquartier, Name des Kommandanten und einige Namen der Offiziere? Sie müssen uns mündlich versprechen und uns versichern, dass Sie diese Daten niemals irgendwo verwenden werden. Sie dürfen das nicht und verstehen, warum. Wenn wir feststellen werden, dass Sie diese Angaben irgendwo weitergegeben haben, werden Sie dafür eine ernsthafte Verantwortung tragen“. Ich versicherte ihn, dass dies niemals passieren würde und das es mich überhaupt nicht interessiert – ich möchte nur eine glückliche Familie gründen und nichts anders. „Ich bin doch kein Spion und ich bin keine Frau von James Bond!!!“ – aufgeregt dachte ich. Dann folgte von ihm: „Sie sind in vollem Sinn und in gutem Zustand haben ihre Aussagen gemacht und sie wurden nicht dazu gezwungen. Sie sind allein verantwortlich für das, was Sie mir heute und jetzt erzählt haben. Unser Gespräch wurde aufgezeichnet. Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg in Deutschland“.

KGB
KGB

Nach diesem Gespräch war ich völlig durcheinander. Ich musste es erst sacken lassen und alles verarbeiten. Aus irgendeinem Grund war mir nur eines völlig klar, dass unsere Ausreisegenehmigung bereits fertig war! Alle Überprüfungen, Papierkram und Hindernisse wurden bestanden und überwunden. Dies war der letzte Test! Ich kann beruhigt wieder anrufen und nachfragen. Ab jetzt wird es alles gut!

Endlich war alles fertig.

Wir haben acht lange Monate auf diese Erlaubnis gewartet. Manchmal hatte ich schon alle Hoffnungen verloren. In solchen dunklen Zeiten dachte ich: “ Was wird jetzt aus unserer Ehe?“ Die Leute fingen bereits an, über uns zu lachen, dass er uns verlassen hätte und uns nicht zu sich holen wollte. Aber diese schwere Zeiten sind für uns jetzt vorbei. Alles war es wert! Wie man sagt: Geduld und Arbeit werden alles zermahlen!

Ich musste nochmal nach Moskau fahren, um das Ausreisevisum abzuholen. Das Visum nach Deutschland war drei Monate gültig. Dies bedeutete, dass ich in dieser Zeit alles organisieren und vorbereiten auf unsere Auswanderung musste. Es gab einiges zu erledigen – Wohnung, Schule, Alle Sachen und Möbel, Tickets und so weiter…, die Liste der Aufgaben war lang. Man muss sich so vorstellen, dass ich das ganze Leben in Russland auflösen musste. Ich konnte nur einen Koffer mit den notwendigen Sachen mitnehmen. Alles andere habe ich dort zurückgelassen. Aber es hat mich nicht traurig gemacht, denn was weggeht, kommt doppelt zurück. Das ist meine Lebensglaube!

Das glückliche Ende.
Das glückliche Ende.

Ein unbekanntes mir Gefühl, aber gleichzeitig ein glückliches und freudiges besaß mich die ganze Zeit: Etwas großartiges kommt auf uns zu. Ein neues Leben beginnt mit meinem geliebten Ehemann und eine vollwertige Familie wird gegründet, aber in einem fremden Land.