Nachdenken vor einer langen Reise.
Morgen! Schon morgen ist es soweit! Ich konnte nicht einschlafen. In der letzten Nacht vor der Abreise nach Deutschland saß ich in meiner Wohnung und schaute mich da um. Jede Ecke darin war mir herzlich lieb und innig. Das war mein, unser Zuhause! Hier wuchsen und spielten meine Kinder. Hier erlebten wir freudige und traurige Momente. Ich sah die Dinge an, die viele aufregende Erinnerungen enthielten. Als würde ich mich von allem verabschieden, was mir so lebenswürdig war. Ja, die letzte Stunden zu Hause, in meiner Heimat waren für mich nicht so einfach.

Emotionen und Erinnerungen überfluteten meine Augen mit Tränen des Abschieds. Es war sehr schwer für mich, alles hinter mir zu lassen. Zum Zeit des Umzugs war ich kein junges Mädchen mehr, genau zu sagen – 36 Jahre alt. Ich bin in Russland geboren und aufgewachsen. Hier erlernte ich einen Beruf und hier wurden meine beide Kinder geboren. Hier baute ich mein Leben nach meinen Gewohnheiten und Grundlagen auf. Ich hatte meine eigene Wohnung und einen festen und zuverlässigen Job. Alle meine Verwandten lebten unweit von mir in meinem Geburtsort. Mein Leben, meine Wurzeln, meine Sprache, die ich sehr liebe, ALLES war HIER – IN RUSSLAND, IN MEINER HEIMAT. ALLES, was ich gemacht und erworben habe, ALLES, was ich geschätzt habe – ab morgen müsste ich mein ganzes Leben auflösen!!! „Was habe ich getan? Was mute ich meinen Kindern zu? Ich zog sie aus ihrem normalen Leben und aus ihrem Entwicklungsfeld heraus! Wir müssen da alles von Null anfangen. Dort habe ich NICHTS, keinen Beruf, keinen Job, keine Existenzgrundlage! Was erwartet uns dort und wie wird sich unser Leben dort entwickeln??? Unsere Zukunft liegt in dichtem Nebel“- dachte ich und mein Herz sank vor Angst. Dann ermutigte ich mich:- „Du wanderst nicht allein aus! An deiner Seite ist dein Ehemann, dein Geliebter – wir ziehen zu ihm. Wir wünschten uns so sehr unzertrennlich zu sein! ABER… Was ist, wenn er in seiner Heimat ist, nicht so – anders wie ich ihn kenne und liebe? Was ist, wenn er sich zu einer negativen Seite verwandelt und zeigt mir sein neues ICH? Was ist, wenn er die andere Pläne mit uns hat? Vielleicht ist er ein Betrüger und Krimineller???“- Fragen wie diese drehten sich auch unruhig in meinen Gedanken. Aber von wo aus, aus der Tiefe, sagte mir mein siebtes Gefühl, dass diese Bedenken alles Unsinn sind. Ich war absolut zuversichtlich in ihm und vertraute ihm als mir. Aber trotzdem war mir ganz klar, dass ich dort in einem fremden Land ohne meiner Familienunterstützung und Freunde bleiben würde. Meine einzigen liebten Leute werden er und meine Kinder sein.
Die ganze Zeit in meinen Überlegungen hatte ich ein seltsames Gefühl. Als ob ich in einer unwirklichen Zeit wäre, als ob mir das alles nicht passiert. Ich glaubte nicht und konnte es nicht realisieren, dass die letzten Minuten meines früheren Lebens hier in Russland von mir weglaufen. Aber es war die echte Wirklichkeit! Morgen beginnt eine neue Etappe in meinem Schicksal. Morgen werden wir in das Neue und Unbekannte eintauchen. „Hör auf zu jammern! Du muss ein bisschen schlafen. Nur noch ein paar Stunden bis zum Morgengrauen. Was sein wird, wird sein! Es gibt kein Zurück mehr!!!“ – dachte ich, nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte. Ich schloss meine müde Augen.
Abgang im Morgengrauen…
Dieser besondere Tag, den ich nie vergessen werde, begann sehr früh. Mein jüngster Sohn Ilya ist früher aufgewacht als ich. Er setzte sich leise, ohne etwas zu sagen, auf die Bettkante und wartete darauf, das ich meine Augen öffnete. Ilya war damals sieben Jahre alt. Auch er ahnte, dass sich ab heute alles ändern würde. Ich sah an ihm, dass Ilya irgendwie anders war, dass er sehr aufgeregt war. Ich stand auf und umarmte ihn ganz fest:- “ Ich bin bei dir mein Sohn. Hab keine Angst vor irgendetwas. Bei uns wird alles bestens und wir werden gut Papas Land erreichen“ und ich drückte seinen kleinen Körper noch fester an mich und küsste ihn. Dadurch ermutigte ich ihn und machte ihm klar, dass wir eins sind und dass ich sein Schutz und Unterstützung bin. Wir zogen uns an und setzen uns wieder schweigend umarmend auf einen Hocker. Nach unseren russischen Traditionen, sollte man sich vor einer langen Reise für ein paar Minuten hinsetzen. Dies sollte Glück und eine gute und problemlose Fahrt bringen. Die letzten Minuten in unserem Heim liefen gnadenlos ab. Ein seltsames, bedrückendes Gefühl verfolgte mich die ganze Zeit wieder. In diesen Minuten wurde mir mehr als deutlich klar, dass dies die alle letzten Momente in meiner Wohnung, dass ich niemals hierher zurückkehren werde. Ich sah mich zum letzten Mal um und stand auf:- „Komm mein Sohn, wir müssen“. Wir schlossen die Tür hinter uns ab und das war es. Als ob ich hinter dieser Tür mein altes Leben gelassen hätte. Als ob ich eine altes, abgearbeitetes Kapitäl hinter mir geschlossen hätte, so wie ein gelesenes Buch. Dann tauchte bei mir eine neue Emotion auf, die mich sehr erschreck, dass wir kein Zuhause mehr hatten! Unser neues Zuhause liegt weit weit weg von uns entfernt. Ich hatte eine innere Verwüstung. Ich fühlte mich in dem Moment wie ein Waisenkind, wie ein Mensch ohne Heimat.
Wir machten die ersten Schritte in Richtung unserer neuen Zukunft. Unser Zuhause entfernte immer mehr und immer weiter von uns. Eine rote, burgunderfarbene Sonne stieg am Himmel und vor uns auf. Wir gingen dem aufsteigenden Tag entgegen. Ich drückte die schwache kindliche Hand meines Sohnes in meiner Hand noch fester und damit ermutigte ich mich, dass wir fest zusammen sind. Durch seine Hand fühlte ich eine gigantische Verantwortung für ihn und für sein Leben. Es hängt jetzt alles von mir ab! Wir gingen stillschweigend zum Bahnhof.

In diesen Minuten dachte ich an meinen ältesten Sohn. Matvey ist nicht mitgekommen. Er blieb bis zum Ende des Schuljahres bei der Großmutter. Matvey war ein Teenager und ich wollte nicht ihn Mitte des Schuljahres aus der Schule ziehen. Er war noch nicht bereit für so eine große Veränderung in seinem Leben. Er wollte seine Freunde und seinen gewohnten Lebensraum nicht verlassen. Ich hatte für ihn ein volles Verständnis! Deshalb beschlossen meine Mama und ich, ihm Zeit zu geben, sich mit diesem Gedanken zu anfreunden, dass er Russland früher oder später verlassen würde. Wir wollten ihn in ein paar Monaten zu uns nach Deutschland holen. Ich machte mir um ihn große Sorgen. Mein Herz schmerzte, als darüber nachdachte. Ich und meine Kinder waren immer unzertrennlich. Ich habe ihn sehr vermisst und hatte Sehnsucht nach ihm. Ich beruhigte mich, dass die Zeit sehr schnell vergehen würde und Matvey wieder mit uns sein würde.
Die ersten Sonnenstrahlen beleuchteten die Dächer des Bahnhofs. Hinter unseren Schultern lagen mehrere Kilometer Marschfuß und noch mit einem großen Reiserkoffer. Von weitem auf dem Bahnstieg winkte uns lebhaft meine Mama zu. Sie wollte uns nach Moskau begleiten, um noch etwas Zeit mit uns zu verbringen und uns zu helfen. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Ich war auch noch nicht bereit für so einen schnellen Abschied von ihr. Mit schnellen Schritten gingen wir fröhlich auf sie zu. Mama umarmte uns herzlich. Durch ihre Umarmung fühlte ich, wie aufgeregt sie war. Ich sah ihr in die Augen und las dort Liebe gemischt mit der Angstgefühl um uns. Ich verstand voll ihren Zustand und ihre Gefühle. Es war sehr schwierig und hart für sie, ihr Kind ins Unbekannte und noch in ein anderes Land zu lassen. In diesem Moment, bevor der Zug ankam, herrschte zwischen uns eine sensible und gleichzeitig bekümmerte Atmosphäre. Wir drei hielten uns fest an den Händen und warteten auf den Zug, der uns aus unserer Heimat weit weg bringen würde. Plötzlich rief Ilya und damit riss uns aus unseren Gedanken:- „Schau, unser Zug nähert sich!“. Wir stiegen in den Wagen und die Eisenbahn fuhr los. Ich schaute aus dem Fenster auf die schmerzlich vertrauten und heimischen Häuser, Straßen und Landschaften. Tränen stiegen in meinen Augen auf und das Herz brennte von dem Schmerz der Trennung von der Stadt meiner Kindheit:- „Goodbye meine geliebte Heimat. Wir werden uns noch unbedingt wieder sehen.“.

Abschied in Moskau.
Am Abend des nächsten Tages erreichten wir wohl die Hauptstadt von Russland. Wir mussten weiter vom Kasaner zum Belarussischen Bahnhof umsteigen, von dem aus der andere Zug in Richtung Deutschland abfuhr. Ich hatte keine Vorstellungen, wo sich dieser Bahnhof befindet und wie weit er von dem Kasaner entfernt ist. Deshalb haben wir uns entschlossen, mit dem Taxi dorthin zu fahren. Es war schon dunkel und ich wollte nicht mit einem kleinen Kind auf andere Weise hin zu fahren. Ich war mir sicher, dies sei der sicherste und schnellste Weg, um ein Ziel zu kommen. Auf dem Platz vor der Bahnstation standen viele Taxifahrer, die ihre Dienste anboten. Wir fanden schnell einen Schofför, der unserer Meinung nach sehr zuverlässig und vertraulich aussah. Wir hatten noch drei Stunden Zeit. Mama gegenüber hatte nicht so viel Zeit vor dem ihren Zug zurück nach Hause zu fahren. Diese qualvolle Minute der Trennung kam, von der ich mich die ganze Zeit fürchtete.

Meine Augen waren mit Tränen bedeckt, die mich wie ein Wasserfall von irgendwo überfluteten. Weinend und überwältigend, konnte ich nicht sagen. Es war mir klar, dass wir uns für eine unbestimmte lange Zeit jetzt trennen werden. Wir können unsere Oma nicht mehr jedes Wochenende und noch öfter besuchen kommen. Mama war und ist für mich die engste und geliebteste Person, die ich alles vertraute. Wir teilten unsere Freuden und Sorgen zusammen. Dieser Abschied war sehr hart für uns. Mama verabschiedete sich von uns mit zitternder Stimme:- „Pass gut auf dich und die Kinder auf. Du bist ein mutiges und schlaues Mädchen und lass dich dort nicht runter kriegen. Ich wünsche euch von ganzem Herzen Glück, Erfolg und Wohlstand in ihrer neuen Heimat. Du kannst alle Schwierigkeiten bewältigen – ich bin absolut zuversichtlich in dich! Ich liebe euch und ich bin immer für euch da!“. Sie trocknete meine Tränen und umarmte mich fest. Dann nahm sie Ilya, küsste ihn und hielt ihn lange in den Armen. Sie flüsterte ihm ins Ohr:- „Mein Engelchen – mein Liebling. Wachse, sei schlau und stark. Sei die gute Unterstützung und Schutz für deine Mama. Du bist mein Bester und vergesse deine russische Oma nicht.“. Nach diesen Worten umarmten wir drei uns emotional wieder. Mama kreuzte und segnete uns zum Abschied. Sehr bewegt und aufgeregt stiegen wir in das Taxi. Wir winkten aus dem Auto so lange, bis Mama aus unserer Sicht verschwand. Ab jetzt sind wir auf uns alleine gestellt. Ich war meiner Mutter für diese Unterstützung sehr dankbar, dass sie mit uns bis zum Moskau war. Ich fühlte mich mit ihr sicher, nicht so aufgeregt und nicht so einsam. Sie gab mir Kraft und Zuversicht diese Auswanderung bis zum Ziel zu führen. „Alles wird gut. Noch ein Stückchen schaffen wir locker. Mit dem nächsten Zug erreichen wir schon Deutschland!“.
Wir fuhren schon ungefähre halbe Stunde. Der Fahrer versuchte ein Gespräch mit mir aufzubauen. Er fragte, woher wir kommen und wohin unser Weg liegt? Dann interessierte er sich, warum bin ich allein mit einem kleinem Kind unterwegs und warum begleitet uns mein Mann nicht? Diese Fragen beunruhigten und schreckten mich auf:- „Was geht es ihm am? Er muss nur sein Job machen? Warum will er alles detailliert wissen? Sei vorsichtig Olyana, erzähle nicht so viel! Überlege dir gut, was du jetzt plauderst!“. Ich antwortete ihm, dass wir zum Besuch nach Weißrussland fahren. Und dass mein Mann aufgrund seiner Arbeit nicht mit uns fahren konnte, da er ein Polizist ist und heute einen wichtigen Einsatz hat, aber er kommt uns unbedingt nach (ich wusste, dass in kriminellen Kreisen Polizisten sehr respektiert werden). Meine Antwort verwirrte meinen Gesprächspartner und er schwieg eine Weile. Eine unangenehme Vorahnung ergriff mich immer mehr:- „Er ist irgendwie seltsam. Ich bin mir sicher, dass er dies alles aus irgendeinem Grund fragte. Sei nicht dumm Olyana – halte deine Augen offen!“. Es herrschte eine deprimierende Stille. Meine Hände fangen an zu zittern und Knie begannen zu schlottern. Ich nahm die kleine Hand meines Sohnes und hielt sie mir hin. Ich lächelte ihn an und flüsterte ihm:- „Wir werden schon bald da sein“.
Plötzlich hielt das Auto an. Mit einem Auge sah ich in der Ferne funkelnde Lichter. Der Fahrer drehte sich zu uns um. In der stockdunklen Dunkelheit konnte ich sein Gesicht kaum erblicken. Er zog aus seiner Jacke ein Messer, deute es in meine Richtung hin. Das Blut stieg in meinem Kopf. Nach dem, was ich sah, war ich bestürzt und Panik begann mich in Besitz zu nehmen. Ich drückte Ilyas Hand noch fester in meiner Hand. Mein Sohn hat noch nicht vollständig erkannt, was hier passiert. Der Taxifahrer sprach:- „Aufgrund dessen, was ich vor dem Kasaner Bahnhof hörte und wie du dich von deiner Mutter verabschiedet hast, wurde mir klar, dass du mit deinem Sohn nach Deutschland fährst. Du lügst, dass du nach Weißrussland reisest! (er ist laut geworden). Ich bin kein Dummkopf – ich kenne den Zugfahrplan! Und ich weiß, dass heute Abend ein Zug nach Deutschland kommt!“. Er beugte sich zu uns und wurde aggressiver. Zu dieser Zeit, als er uns bedrohte, pulsierte in meinem Kopf:- „Sei mutig und tapfer. Sei ruhig und zeige ihm nicht deine Angst! Für deinen Sohn MUSS du jetzt sehr geruhsam und ausgeglichen sein! Sammele all deine Kräfte zusammen und finde eine Lösung. Wir müssen auf jeden Fall aus diesem verdammten Auto lebendig raus kommen! GOTT, HILF UNS!“. In diesem Moment war mir mein Leben völlig egal. Ich dachte nur an Ilya:- „Ich darf auf keinen Fall ihn in solche Gefahr bringen. Niemand kann mein Sohn mir nehmen! AUF KEINEN FALL! Niemand wird uns helfen! Jetzt hängt alles von dir ab!“. Ilya saß auf meinem Schoß und benahm sich sehr tapfer. Mein mutiger Junger weinte und schrie nicht – er saß ganz still und sprach kein einziges Wort! Nur von Zeit zu Zeit sah er mir in die Augen. Er war furchtlos und das gab mir noch mehr Mut. Wir drängten uns noch mehr zusammen und verschmolzen zu einem. Der Mann steckte das Messer weg setze seine Rede fort:- “ Also Mädchen, du wirst mir jetzt ALLES geben – Geld, dein Reisepass mit Visum nach Deutschland, all deine teurere Dinge. Ich verstehe so, dass du dorthin auswanderst, und deshalb hast du gewiss alles zu Hause verkauft und den Erlös hast du mitgenommen. Also, entweder gibst mir jetzt alles oder ich nehme dein Kind weg. Du bist mir egal! Wenn du schreist, werde ich dich erstechen. Niemand wird es sowieso hören oder sehen!“.

Ich tat so, als würde mich seine Drohungen überhaupt nicht erschrecken, obwohl alles in mir zitterte. Mein Gehirn hat sich in einen Krisenzustand versetzt. Mit ruhiger überzeugenden Stimme und ganz cool begann ich mit ihm zu sprechen:- “ Hör zu, warum soll ich lügen? Wir fahren wirklich nach Weißrussland. Dieser Zug fährt nicht nur nach Deutschland. Er macht einen Zwischenstopp in Belarus. Schau uns an! Sehen wir reich aus – wir sind einfache Leute (ich kicherte). Wir haben nur einen kleinen Koffer dabei! Glaubst du, dass ich alleine mit einem kleinen Kind ins Ausland gehen würde?! Denke selbst, wenn ich nach Deutschland gegangen wäre, hätte ich es nie gewagt, alleine zu fahren.“. Ich überlegte noch fieberhaft:- „Du muss die Zeit in die Länge ziehen, vielleicht kommt jemand am Auto vorbei. Er hört dir zu, ohne dich zu unterbrechen – das ist gut! Sage, egal was – Hauptsache, hör nicht auf zu reden.“. In einem ausgelassenem Ton machte ich weiter:- „Ist mir egal! Ich kann meine Tasche für dich umkrempeln – du wirst dort nicht Besonderes finden, nur Schminken und Frauendinge. Du kannst auch unseren Koffer aus dem Kofferraum holen!“. Ich öffnete meine Handtasche und holte die Brieftasche heraus:- „Nimm alles – mehr habe ich nicht! Fahrkarten sind im Koffer – kann ich dir es auch zeigen! Du wirst in Schwierigkeiten geraten, wenn du uns jetzt hier tötest. Mein Mann ist Polizeichef und kennt unsere gesamte Route. Er wird dich schnell finden. Meine Mutter hat dich gesehen und deine Autonummer aufgeschrieben. Es ist sehr blöd von dir, uns hier festzuhalten und uns zu bedrohen!“.
Die Flucht.
Er blickte mich an und sein Blick war nicht mehr so selbstsicher und arrogant. Ich sah an seiner Geistig, dass er anfing zu zweifeln. Plötzlich redete er laut:- „Blöde Weibe! Polizeichef ist dein Mann, aber kein Geld in der Tasche!“. Ich antwortete:- „Warum muss ich so viel Geld bei haben? Wir fahren nur zum Besuch!“. Nach eine Weile sagte er wieder:- „Ich komme gleich wieder. Du wirst auf deinem Platz still sitzen. Wenn du versuchst zu fliehen, werde ich dich fangen und töten! Es ist mir egal, dass dein Mann angeblich ein Polizist ist!“. Er stieg aus dem Auto und verschwand in der Dunkelheit. Ich bemerkte, dass das Auto offen war und aufgeregt und volle Angst sprach:- „Ilyuscha, mein Kleiner – los raus hier! Schnell mein Junger!“. Wir sind aus dem Taxi rausgesprungen. Mit zitternden und ungehorsamen Händen öffnete ich den Kofferraum und zog unseren Koffer heraus. Wir brauchten ihn, weil dort alle unsere Dokumente lagen. Ich packte Ilya mit einer Hand, mit der anderen den Koffer und wir rannten aus allen unseren Kräften. Wir rannten um unser Leben! Ilya stolperte und fiel. Ich spürte, dass seine Aufregung und Angst jetzt herauskamen. Er hielt mit mir bis zum Ende durch! Er zeigte dem Erpresser seine Emotionen nicht! Ich war sehr stolz auf mein Sohn! Ich nahm ihn in meinen Arm und rannte mit letzter Kraft zu den Lichtern. Ich wusste nicht, wohin wir fliehen. Ich wusste nur eines – dorthin, wo die Leute sind! Hinter meinem Rücken hörte ich Schreie, aber in der Ferne sah ich beriet die laufende Leute. Es gab mir noch mehr Kraft:- „Noch ein bisschen und wir entkamen den Fängen der Gefahr!“. Wir erreichten die Lichter und hinter mir hörte ich kein Brüllen mehr. Wir blieben stehen. Ich atmete aus und schaute mich um. Ich konnte meinen Augen nicht trauen und eine unermessliche Freude überwältigte mich:- „Dies ist der belarussische Bahnhof!!! Die ganze Zeit waren wir nicht so weit von ihm.“. Ich beugte mich zu meinem Sohn, drückte ihn fest an mich und sagte:- „Das war es, jetzt fahren wir zu Papa!“. Ilya fragte mich bekümmert:- „Mama sag mal bitte, der böse Onkel kommt nicht mehr?“. Ich antwortete mit ermutigender Stimme:- „Er wird nie wieder mehr kommen und wir werden ihn nie wieder sehen. Ich gebe dich niemandem ab, mein Schatz!“.

Ich hatte keine Zeit meine Emotionen loszulassen, an denen ich schon fast erstickte. Und ich hatte keine Zeit mehr einen Polizisten zu finden, um diesen Entführungsfall zu melden. Ich musste so schnell wie möglich unseren Zug an zu treffen. Wir eilten auf dem Bahnhof herum, auf der Suche nach einer Information. Schließlich endeckten wir es und die nette Frau dort zeigte und erklärte uns alles. Wir rannten wieder. Wir waren schon von dem ganzen Stress und der Rennerei sehr erschöpft. Ich sah, dass Ilya sehr müde war. Er tat mir so Leid. Ich sprach die ganze Zeit mit ihm und wiederholte einen Satz, wie ein Gebet:- „Noch ein bisschen, noch fünf Minütchen und wir sind schon da, mein Engel!“. Endlich fanden wir diesen Bahnsteig, auf dem sich unser Zug befand. Es war schon alles bereit für das Einsteigen von Passagieren. Wir hatten noch dreißig Minuten vor dem Abfahrt. Wir fanden schnell unseren Wagen und sprangen hinein.
Nach Berlin.
Dort im Zugwagen entspannte ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit:- „Wir sind jetzt in Sicherheit. Diese Eisenbahn bringt uns an unser Ziel. Entkrampfe dich Olyana – alles wird gut.“. In unserem Zugabteilung machte ich sofort für Ilya das Bett und legte ihn zum Schlafen. Er war entkräftet. Er konnte seine Augen nicht mehr offen halten. Mein Engel hat an diesem furchtbaren Tag so viel durchgemacht. Für so ein kleines Kind war es nicht einfach, alles zu überstehen. Ich betete zu Gott, dass diese schlechten Erfahrungen keine böse Spuren in seiner Psycho hinterlassen würden. Und ich hoffte, dass diese schlechten Erinnerungen schnell aus seinem Gedächtnis verschwinden würden.
Ich saß am Tisch und beobachtete die Leute, die auf der Plattform herum huschten. In meinem Kopf, wie in einem Horrorfilm scrollten alle Ereignisse, die uns passierten. Von der Erkenntnis der tödlichen Gefahr, in der wir uns befanden, ging eisige Kälte durch meinen ganzen Körper. Plötzlich sah ich dort auf der Bahnsteig diesen Erpresser. Schreckliche Angst ergriff mich voll. Ohne zu atmen drückte ich meinen Kopf an den Tisch. Nach einige Minuten schaute ich nochmal heraus und er stand immer noch vor unserem Wagen und drehte seinen Kopf in verschiedene Richtungen. Heiße Tränen flossen aus meinen Augen:- „Gott, um Himmels willen, lass ihn verschwinden!!!“. Plötzlich horchte ich das Pfeifen des Zuges:- „Die Abfahrt! Gott sei dank!“. Ich konnte meine Tränen nicht mehr aufhalten. Sie erhoben sich von innen mit einer riesigen wachsenden Kraft und brachten in einem Wasserfall heraus. Ich klemmte meinen Mund mit meiner Hand, um Ilya nicht zu wecken und…
Am nächsten Morgen machte ich mit meinem Sohn ein Gespräch. Ich habe ihm verboten, ohne mein Wissen mit jemandem zu kommunizieren und niemandem zu erzählen, dass wir nach Deutschland fahren. Und wenn ihn jemand fragen wird, wohin unser weg liegt, muss er antworten, dass wir nach Weißrussland reisen, um unsere Oma zu besuchen. Ich wollte diese Horrorstory nicht noch einmal erleben. Ich habe das Vertrauen in ALLE und ALLES verloren.
Ich habe meiner Mama immer noch nicht von dieser grässlichen Entführung erzählt. Ich habe noch nicht die Kraft und den Mut dazu gefunden. Keine vergangenen Jahre können diese grauenvolle Erinnerungen aus meinem Gedächtnis löschen. Sie werden mich für immer begleiten.
Willkommen in Deutschland.
Zwei Tage später erreichten wir die deutsche Grenze. Der Schaffner hat schon bereits angekündigt, dass die Passagieren sich darauf vorbereiten sollen, aus dem Wagen auszusteigen. Wir standen vor der Tür und warteten ungeduldig darauf, dass sie sich öffnete. Ich wollte nur raus aus diesem Zug und so schnell wie möglich. Ich betrachtete diese Tür als Tor zu einem neuen Leben. „Wir sind endlich da! Türchen öffne sich bitte.“ – mit wachsender Aufregung dachte ich. Endlich duften wir die Eisenbahn verlassen! Wir gingen vorsichtig auf den Bahnsteig. Eine andere und unbekannte Welt umgab uns von allen Seiten. Wir waren schon einmal in Deutschland, aber wir waren nur zum Besuch. Damals wusste ich, dass wir am Ende des Besuches zurückkehren würden, dass wir hier nur Gäste waren. Diesmal kamen wir hierher, um hier zu bleiben, zu leben und um eine Familie zu gründen. Diese Empfindung führte zu neuen aufreizenden Gefühlen. Während wir am Bahnhof standen und darauf warteten, dass uns jemanden abholt, gingen mir so viele Gedanken durch den Kopf. Ich konnte sie zu dieser Zeitpunkt nicht einordnen. Es war einfach alles zu frisch, zu viel und zu neu.

Björn konnte nicht an diesem Tag uns persönlich abholen, da sein Flugzeug am nächsten Tag ankam. Er vertraute diese wichtige Aufgabe seinem besten und zuverlässigstem Kumpel an. Aus Björns Beschreibungen wusste ich, wie sein Kumpel ungefähre aussah. Ich spähte in die Gesichter vorbeigehender Menschen und hoffte, ihn zu erkennen. Plötzlich kam jemand von hinten und fragte:- „Bist du Olyana? Und du der große Mann muss Ilya sein!“ Ich drehte mich überrascht mit weit geöffneten Augen um und murmelte:- „Ja.“. Angelo lächelte uns breit an und sprach:- „WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND!“
9. Februar 2021 um 21:26
Sehr sehr spannend😁😁
10. Februar 2021 um 5:53
Vielen Dank dafür 🙋♀️. Lebensgeschichten sind immer spannend 😊